Postkarten-Sets - page 25

Win Labuda - Form undGedenken
Karten-Set VII
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FormundGedenken
- „Die Skulptur, die ich
gelegentlich abbilde, ist die figurativeArchi-
tektur der noblen Empfindung, welche keinem
anderen Zweck dient, als den ihrmitgege-
benenGeist zu repräsentieren und solcher-
maßen dauerhaft auf uns zuwirken. Diese
Art von Skulptur wird beispielsweise durch
dasWerk von Rodin, Despiau, Bourdelle und
Lehmbruck repräsentiert, bei den „Modernen“
auch vonMoore, Chillida, Caro undAnderen.
Ich sehe jedoch, dass die Inhalte, welche die
Skulptur transportieren kann, grundsätzlich
dieGleichen sind, wie beispielsweise die von
Zeichnungoder Ölbild. Lediglich die Tatsache,
dass die Skulptur imGegensatz zu Zeichnung,
Gemälde oder Fotografie eine größere Raum-
forderung stellt, sichert ihr einen höheren
Präsenzgrad als anderenKunstformen. In dem
Maße, wie Skulpturmir einHöchstmaß an
dreidimensionaler Präsenz vermittelt, versagt
siemir aber auchden leicht schwebenden
Fluss ihrer künstlerischen Inhalte hinein in die
Räumemeiner Phantasie. Zeigt siemir doch
auch die Beschränkungen auf, welche in ihrer
unverrückbaren physischen Präsenz und ihrer
reduzierten Farbigkeit gründen.
Ich versuche deshalb, im Betrachtermit den
Mitteln der Fotografie eine Illusion von Be-
wegtheit zu vermitteln. Dies erreiche ich durch
die Bewegungmeiner Kamera zum Zeitpunkt
der Aufnahme. Dabei entsteht eine „Bewe-
gungsunschärfe“, ganz als hätte sich das
Objekt selbst bewegt. Durch die Technik des
Verwischenswird die fest gefügte Skulptur
zur Illusion von der ursprünglichenGestalt.
Gelegentlich gebrauche ich auch dieMög-
lichkeit, eine Skulptur, derenUmgebung und
das einfallende Licht kompositorisch so zu
vereinen, dass aus der Komposition heraus ein
neuer Bildgedanke entsteht. Als Fotograf gilt
mein Interesse der Erweiterung von Skulptur
im Sinne von Befreiung aus ihrer Fixierung und
Sichtbarmachung eines lebendig sich verströ-
mendenWesens. Fotografie und Skulptur sind
auf seltsameArtmiteinander verwandteAus-
drucksmittel. Die eine ist Form und die andere
Abbild. Das Abbild bleibt stets einKindder
Form. Das Resultat allerdings - und an diesem
Punkt scheint das Ganze zumAbsurdum zu
werden - ist dann nichtmehr Skulptur. Ich nut-
ze die Skulptur als unverzichtbares Zwischen-
produkt auf demWeg zur befreiten Form.“
Auszug aus „Im Laufe der Zeit - Nadja Labuda,
GesprächemitmeinemVater“ (2006), Netz-
Publikation bei „Classoon“.
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