Page 177 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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wie Cellulose- und Baumwoll-haltigen Werkstoffen bestehen,
bei deren Herstellung Silikonöle nicht Prozess-gemäß einge-
setzt werden. Nachteil dieser Wischmittel ist jedoch deren
vergleichsweise zum Polyestertuch geringere Materialfestigkeit
und somit erhöhte Partikelfreisetzung. Wenn dies Ausschluss-
Kriterien sind, dann bleiben dekontaminierte Tücher aus PET
oder PA-Gestricken die Alternative. In unserem Labor wurden
vier HiTech-Tücher im Headspace-Gaschromatographen
geprüft:
Polyester, nicht dekontaminiert = silikonhaltig
Polyester, dekontaminiert = silikonfrei
Zellstoff I = silikonfrei
Zellstoff II = silikonfrei
9.6 Prüfzertifikate: Vorsicht! Anwender als auch Händler von Reintechnik-Verbrauchsma-
terial besitzen eher selten das Instrumentarium und ausge-
bildete Prüfer um das Material sachgemäß zu prüfen. Eine
Betriebs-externe Material-Prüfung und Zertifizierung für
fertigungstechnisch gesehen kritische Produkte ist daher für
bestimmte Anwender und auch Händler von Interesse. Einige
Unternehmen/Institute bedienen genau diese Marktlücke und
bieten auf kommerzieller Basis Materialprüfungen und Zer-
tifikate an. Insbesondere Fernost-Händler bedienen sich zur
Nobilitierung ihrer noname-Produkte gern der Möglichkeit einer
Produkt-Assoziation mit klangvollen Instituts- bzw. Zertifikats-
Namen. Daher ist es hilfreich einige der Probleme zu kennen,
die mit derartigen Zertifikats-Erteilungen einhergehen können:
• Ein Prüf- und Freigabezertifikat mit einer Gültigkeitsdauer
von länger als 1 Jahr (oder gar 5 Jahren!) sollte stets
hinterfragt werden. Niemand kann per se für diesen langen
Zeitraum im Voraus die Produkt-Qualität garantieren.
• Prüfzertifikate die lediglich auf Händler-Namen und deren
Produkt-Kennzeichnung ausgestellt sind erschweren dem
Anwender im Reklamationsfall die Kontaktnahme mit dem
Hersteller. Sie erlauben es hingegen dem Händler bei den
zertifizierten Produkten jederzeit einen stillschweigenden
Hersteller- und Produktwechsel vorzunehmen und auch zu
jeder Zeit ein geringerwertiges Produkt zu liefern, ohne dass
dies von Anwender bemerkt wird oder das Zertifikat seine
formale Gültigkeit verliert.
• Prüfzertifikate dieser Art werden nicht selten von Fernost-
Importeuren für Werbezwecke gebraucht. Die Händler
bestellen beim prüfenden Institut beispielsweise ein Zerti-
fikat für den technisch gesehen trivialsten Parameter eines
Reinigungstuchs wie “Wasser-Absorption“ nach DIN EN
ISO 9073-6 und bilden das Zertifikat im Internet oder im
Katalogmaterial seitenfüllend ab. So entsteht beim nicht
technisch ausgebildeten Mitarbeiter in der Eile gerne mal
der Eindruck, das Tuch sei umfänglich qualifiziert obwohl
lediglich der Parameter „Wasser-Absorption“ - einer von
vielen möglichen Parametern qualifiziert ist.
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