Reise zum Anfang der Zeit - page 5

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Fortschritt als Konkretisierung von Zeit
Ich versuche in diesem Zyklus die Vermittlung von persönlicher Welt-
sicht durch fotografische Bilder. Sie wollen beim Betrachter nachempfin-
dende Einsichten in den sinnvollen Ablauf der Erd- und Menschheitsge-
schichte bewirken. Auf dieser Grundlage wollen sie sinnstiftender Beitrag
der Fotografie zum Konzept einer „Metaphysik des Fortschritts“ sein.
Das Künstlerische an meiner Arbeit ist also nicht allein die Komposition
ästhetisch ansprechender oder gar lehrreicher Bilder, sondern zugleich
die Vermittlung eines optimistisch ausgerichteten, historisch begründe-
ten Weltbilds auf der Grundlage der Vorstellung einer sinnvoll sich
gestaltenden, vom Fortschritt bestimmten Welt. In diesem Zusammen-
hang denke ich an die Worte von Eduardo Chillida, dem spanischen Bild-
hauer (1924-2002):
Ich bin ein religiöser Mensch. Die Fragen des Glaubens und meine Pro-
bleme als Künstler liegen nahe beieinander. Natürlich hat meine Auffas-
sung von Raum eine spirituelle Dimension, so wie dieser ja auch eine phi-
losophische hat.
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Was Chillida über sich und den Raum sagt, möchte ich auf die Zeit bezie-
hen. Nicht die Begrenzung von Raum bewirkt ja die Tragödie unserer
menschlichen Existenz, sondern der unglückliche Antagonismus aus
unserer begrenzten Verweilzeit im „System Erde“, bei unbegrenztem
Vorstellungsvermögen davon. Es folgt, dass jeder sinnstiftende Gedanke
in der Zeitkategorie verankert sein muss. Fortschritt ist Veränderung im
Rahmen der Konkretisierung von Zeit bei abnehmender sozialer Entro-
pie. Jeder von uns ist in kleinen Beitrags-Einheiten in diesen Prozess ein-
gebunden. Hier zeigt sich auch eine mögliche Auslegung des Konfuzius-
Zitats „der Weg ist das Ziel“.
Die Fotografie ist als Verfahren von dualer Natur. Sie hat sowohl eine
dokumentarische als auch eine historisierende Komponente. Werden
doch mit ihrer Hilfe Zustände abgebildet, die während des Abbildens
noch Gegenwart, unmittelbar danach jedoch bereits Vergangenheit sind.
Jede Fotografie ist also nach ihrer Entstehung, ein historisches Doku-
ment von kontinuierlich wachsender Historizität.
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In meinem Zyklus
habe ich von einer eher vergleichenden Möglichkeit Gebrauch gemacht:
Das fotografische Abbilden innerhalb der historischen Bezugsperiode
entstandener Artefakte mit Hilfe eines vergleichbaren Formenkanons.
Dieses Verfahren vermittelt eine demWild-West-Film ähnliche visuell-
gedankliche Nähe zu den seinerzeit gegebenen Umgebungs-Bedingun-
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Meeresstille I,
FH 001
10 -
Horizont 12,
FH 086
1,2,3,4 6,7,8,9
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