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gen und der vorherrschenden Formstruktur. So habe ich es beispiels-
weise im Rahmen meiner Abbildungen der Gehäuse von Meeresschnek-
ken als Urformen der Natur und auch bei der Serie „Heimat der Götter“
mit den Dolmen, Menhiren und Steinkreisen gemacht, die sich seit Jahr-
tausenden in ihrer Form nur wenig verändert haben und sich zudem
noch am ursprünglichen Entstehungsort befinden. Ähnliches gilt für die
Instrumente, Maschinen und Apparate welche ich früher einmal in der
Serie „Segen der Technik“ fotografiert habe.
Meine Fotografie dient also imWesentlichen der Vermittlung von Sinn
durch das Studium, die Betrachtung und die Verinnerlichung von Form.
Dieser Erkenntnisweg verlangt die Bereitschaft zur Synthese von Form
und „Grund“, wie sie ein anonym gebliebener französischer Schriftsteller
in dem Satz „La forme, c'est le fond, qui remonte a la surface“ (Die Form
ist der an die Oberfläche gebrachte Grund) zum Ausdruck gebracht hat.
Wir wollen also von der Form auf den Grund schließen, der für die
Abfolge durch markanten Fortschritt gekennzeichneter Erdzeit-Perioden
sich als mögliche Ursache bietet; wir wollen gewissermaßen „im Bauen
den universalen Sinn erkennen“ und das Mysterium der Schöpfung dort
hinein verlagern - wiederum: Der Weg ist das Ziel. Das dem Zeitalter der
Aufklärung geschuldete Aufkeimen des begründeten Zweifels mit der
Folge einer Verlagerung des Mythos und des Glaubensverlustes geht ein-
her mit der Suche nach Lebenssinn und nach Geborgensein in den sinn-
fälligen Strukturen unseres „Systems Erde“. Ich sehe insbesondere im
tieferen Verständnis der Evolution, so wie in der Erd- und Menschheits-
geschichte, einen begründeten Anlass zur Besinnung auf ein entwick-
lungsgeschichtlich basiertes, metaphysisches, also nicht mehr allein vom
Glauben geprägtes Weltbild. Nirgendwo findet sich mehr „Grund“ als in
den Prozessen der Erd- und Menschheitsgeschichte, die zu beobachten
und zu dokumentieren wir mehr als dreitausend Jahre lang Gelegenheit
hatten.
Die Fotografie, insbesondere die Mikrofotografie und die Astrofotografie,
bietet die Werkzeuge zur Aneignung der Strukturen des Mikro- und des
Makrokosmos. Nach heutigem Stand der Technik sind sie so weit entwik-
kelt, dass sich Erkenntnisse ankündigen und vollziehen, die in ihren
Randgebieten Berührungszonen mit der Philosophie aufweisen, so dass
sie in der Perspektive die Natur- mit den Geisteswissenschaften einst
miteinander versöhnen mögen.
11
- Les Justes,
F 042
12 -
Tanzende Venus,
F 109