Technik, Wissenschaft und Kunst - eine Laudatio für Win Labuda - page 2

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1.
Logik ist die Mathematik vonWahrheit und Falschheit,
2.
Mathematik ist die Theorie der Strukturen,
3
Theorie ist die Kunst desWahren und Falschen,
4
Kunst ist dieWahrnehmung von Gestalten durch Schaffung von
Gestalten.
Einige erläuternde Bemerkungen sollen diese Sätze, die als Gleichnis-
reden zu verstehen sind, verständlicher machen:
1.
Die Logik – ein Zweig der Mathematik – ist die Theorie derjenigen
Strukturen, die durchWahrheit und Falschheit als Begriffspaar
bedingt sind.
2.
Struktur ist der Grundbegriff der Mathematik: Die Mathematik
studiert die Strukturen abstrakt als Strukturen. Die Physik
dagegen beschreibt (experimentelle) Ereignisse mit Hilfe der
Strukturen.
3.
Theorie – als Spezialfall von Kunst – kann nach vonWeizsäcker als
dieWahrnehmung derjenigen Gestalten beschrieben werden, „die
durch die Bedingung eingeschränkt sind, dass über sie Aussagen
möglich sind, die als wahr oder falsch charakterisierbar und im
Idealfall entscheidbar sind“.
4.
Kunst umfasst hier alle traditionellen Künste: Musik, bildende
Kunst und Dichtung. Beachtet werden muss dabei die Gewichts-
verschiebung von „Wahrnehmung“ zur „Schaffung“. Damit
umfasst der Begriff Kunst auch das Handwerk und die Technik [5].
Nach der These 3 fällt die Theorie somit unter den Begriff Kunst. Letztlich
steckt in dieser These, dass Erkenntnis als Handlungserfolg interpretiert
wird: Durch Schaffen von Gestalten, durch ein Handeln, also ein Vorgang
in der Zeit, erkennen wir Gestalten. Damit ist Kunst durch eine Doppel-
definition gekennzeichnet: Die geschaffene Kunst stellt etwas anderes
dar als das, was durch diese Schaffung wahrgenommen wird [6]. Dieser
Satz wirft eine philosophische Frage auf: „Ist Darstellung ein Grundphä-
nomen der Realität?“
Damit lässt sich der Aufbau der Thesen beschreiben:
Die Logik ist eine Mathematik,
die Mathematik eine Theorie,
die Theorie eine Kunst,
die Kunst eineWahrnehmung.
Es stellt sich somit die zentrale Frage: Was wird wahrgenommen?
In dieser Frage steckt auch diejenige nach demWesen der Kunst:
Sie ist – nach vonWeizsäcker – die Stilisierung der Gestalt zu einer neuen
Gestalt [7].
Das fotografischeWerk
Ich versuche mich nach diesen grundsätzlichen Vorbemerkungen
zunächst Ihrem fotografischenWerk zu nähern. Der fotografische Zyklus
„Reise zum Anfang der Zeit“ ist – nach IhrenWorten – eine imaginäre
Rückreise in die Zeit der Erde im Erwartungszustand ihrer Aneignung
2 -Win Labuda „Abendklang I“,
Picardie, 2006
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