Technik, Wissenschaft und Kunst - eine Laudatio für Win Labuda - page 6

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13 - Schema der Labuda-Rotations-
Wischsimulatoren Mark I und II
Grundprinzip seines Denkansatzes ist: Formallogisch kann man aus
Einzelfällen kein allgemeines Gesetz ableiten (Induktionsproblem),
sondern man kann nur allgemeine Sätze widerlegen.
Poppers Vorschlag ist: Man erfinde Thesen frei. Dann werden Experi-
mente durchgeführt. Bestätigen sich die Thesen im Experiment nicht
(falsifiziert), müssen sie verworfen werden. Wird die These dagegen
verifiziert, kann sie – und erst dann - in die Physik aufgenommen
werden. Popper fordert, dass die These um die neu gewonnenen
Erkenntnisse erweitert wird, d.h. eine – gegenüber der vorhergehenden -
erweiterte These aufgestellt wird und erneut dem Experiment unter-
worfen wird. Damit wird Naturwissenschaft zum Spiel. Wer nicht bereit
ist, nach einer Verifikation erneut eine These aufzustellen, um wieder die
Verifizierung/Falsifizierung durchzuführen, scheidet aus dem Spiel
Wissenschaft aus. Wir lernen daraus zwei wichtige Gesichtspunkte:
1.
DerWahrheitsbegriff der Naturwissenschaft basiert auf dem
Experiment. Damit wird das Experimentieren zur zentralen
Handlung in der Naturwissenschaft erhoben. Die Mathematik als
axiomatischeWissenschaft erkennt als wahr dieWiderspruchs-
freiheit gegenüber den Axiomen an. Hier spielt die Beweisführung
die zentrale Rolle.
2.
Es gibt ein eindeutiges Entscheidungskriterium für die Falschheit
einer Aussage. Mit Hilfe des Prinzips der Falsifizierbarkeit kommt
man derWahrheit immer näher, ohne jedoch den Anspruch auf
Sicherheit erheben zu können: Einzelerfahrungen, auch in
beliebig großer Anzahl, können ein allgemeines Gesetz nur falsifi-
zieren, nicht aber verifizieren.
Zum tieferen Verständnis der Popper’schen Ideen wage ich – analog zu
Martin Deppner [17] – eine Deutung in der jüdischen Tradition. Die
Schöpfungsgeschichte wird als eine Schöpfung aus Nichts beschrieben.
Der Gott der hebräischen Bibel ist ein Verborgener. Er hat lediglich
Spuren seiner Existenz hinterlassen. Diese mystische Vorstellung eines
Gottes ist somit ein wandelnderWiderspruch aus einer Schöpfung ohne
sichtbaren Schöpfer. Gott wird als eine verborgene Größe angesehen, die
sich erst durch das Zurückziehen in sich selbst alsWesen der Schöpfung
erweist. Es ist dieser Rückzug in sich selbst, der – nach Gershom Scholem
– Platz für die Schöpfung schafft. Sie ist somit ein Akt, dem die Negation
vorausgeht. Die Deppner’sche Schlussfolgerung beruht auf einer
Verknüpfung der Vorstellung eines sich in sich selbst zurückziehenden
Gottes als Konfiguration einer Negation zur Voraussetzung von
Schöpfung. Damit schließt sich der Bogen zur Falsifikation von Popper.
Erinnern wir uns: Eine Falsifikation besteht aus dem Nachweis
immanenter Inkonsistenzen.
Der mittelalterliche Philosoph Moses Maimonides (1138-1204) vertrat
die Auffassung einer streng intellektuellen Durchdringung der heiligen
Schrift mit der Zielsetzung, an der Vervollständigung einer von der
Schöpfung unvollständig gelassenenWelt mitzuwirken. Diese
Fundierung auf die Schrift enthält noch einen weiteren wichtigen Schritt:
Die Simulation. Unter einer Simulation wird die Fähigkeit verstanden,
dieWirklichkeit als Modell aufzufassen. Sie ist somit als Paradigma für
eineWelt zu verstehen, die nicht vollendet ist. Die Popper’sche Logik
fordert somit ein weiterkonstruierendes Handeln ein. Der jüdische Gott
lässt es also zu, dass man ihn simuliert. Diese Simulation ist natürlich
14 - Labuda-Rotations-Wischsimulator
Mark II
1 starr aufgehängter Elektromotor
2 Drehmomentgeber N/cm
(bei Mark II)
3 flexible Kupplung
4 Rotorblock
5 Wischmittel - Prüfling
6 Schale mit rauem Boden
1,2,3,4,5 7,8,9
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