Page 105 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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6.1.4 Kardinalfrage: Oberflächen-Rein- Bisher wurden im Schrifttum der Reintechnik die Begriffe
heit oder Material-Reinheit Material-Reinheit und Oberflächen-Reinheit als quasi identi-
sche Phänomene angesehen. In den Köpfen vieler Technologen
war und ist fest verankert: Wenn ein HiTech-Reinigungstuch
hochgradig rein ist, dann wird nach einer Reinigungs-Proze-
dur mit demselben auch die Objekt-Oberfläche hochgradig
rein sein. Diese Annahme ist auch der Grund dafür, dass
im Absatz 8 der US-Spezifikation IEST-CC-RP 004.4 (2019)
Oberflächen-Reinheit nicht gesondert spezifiziert ist. Es stellt
sich jedoch die Frage: Warum sollte man den Reinheitszustand
eines Wischmittels kennen, das sofort nach Gebrauch entsorgt
wird? Warum sollte man Material-Reinheit messen, wenn man
Oberflächen-Reinheit erzeugen will? In Wahrheit gibt es zwi-
schen den beiden Parametern ganz erhebliche Unterschiede,
die nachstehend dargestellt werden:
Bei den Prozeduren des wischenden Reinigens spielen die fol-
genden Begriffe eine Rolle:
Objekt-Oberflächen als auch der textilen Werkstoffe, der
Vertikaldruck der Lösungsmittel-Tränkung und der Bewegungs-
Geschwindigkeit
partikuläre Verunreinigung durch Materialabrieb erzeugt, der
nach der Reinigungs-Prozedur zum Teil auf der Objekt-Oberflä-
che verbleibt.
Wahrscheinlich werden bei mehr als der Hälfte aller in den
HiTech-Industrien durchgeführten wischenden Reinigungsar-
beiten alkoholische Lösungsmittel als Hilfsstoffe eingesetzt.
Diese werden nach Lösungsmittel-Auftrag von den Reinigungs-
Tüchern absorbiert. So kommen die Lösungsmittel sowohl
mit den in der Textilmatrix verbliebenen Chemikalienresten
als auch mit den Verunreinigern der Objekt-Oberflächen in
Verbindung.
Zu den chemisch generierten Verunreinigern gehören insbe-
sondere die Oligomere (wie Dimere, Trimere, Tetramere etc.)
Sie sind kurzkettige Makromoleküle mit - bis zu ca. 20 Ein-
heiten. In der Reinigungspraxis zeigen sich die Eigenschaften
von Oligomeren insbesondere dadurch, dass das beliebte
Reinigungsmittel Aceton (Dimethylketon der Summenformel
C H O) das Polyethylenterephtalat (Markenname Polyester)
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selbst schwer, die Oligomere des Polyesters jedoch leicht
anlöst. Insbesondere bei diesem Lösungsvorgang kommt es
zur Polyester-Matrixanlösung und es kann im Anschluss daran
zur relativ starken Oberflächen-Verunreinigung durch Oligo-
merbildung kommen.
Auch aus Polyamid-Kunststoffen lassen sich durch Lösungsmit-
tel Oligomere herauslösen, wenngleich in geringerer Menge als
aus Polyester.
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