Page 96 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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che nach erfolgter Reinigung weder zu viel noch zu wenig
Verunreinigungs-Masse befindet. Ein Zuviel beeinträchtigte die
Funktion der Oberfläche und ein Zuwenig wäre ein Indiz dafür,
dass ein ökonomisch nicht vertretbarer Reinigungs-Aufwand
stattgefunden hat.
Beim wischenden Reinigungsvorgang trifft das dreidimensi-
onale Raumgebilde Wischmittel auf eine zweidimensionale,
ebene Fläche - genannt Objekt-Oberfläche. Bei der Immer-
sion eines Wischmittels ins DI-Wasser werden nach IEST-
RP-CC004.4 etwa 1-5,3 Mio. Partikel pro Tuch freigesetzt,
während sich auf der zweidimensionalen Objekt-Oberfläche der
Größe von 25 cm² eine Partikeldichte von lediglich ein Partikel
pro 5 mm vorausgesetzt - lediglich 500 Partikel befinden. Wir
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sind mit der absurden Situation konfrontiert 1 Million Teilchen
von einer Oberfläche zu entfernen mit einem textilen Gebilde,
in dessen dreidimensionaler Struktur sich die vielfache Anzahl
an Teilchen befindet.
Aus der Perspektive eines Messtechnikers ist die Analyse von
Verunreinigungs-Massen auf Oberflächen im Spuren-Bereich
für die meisten Wischmittel-Applikationen ökonomisch nicht
vertretbar. Zu teuer sind die Analysengeräte und zu hoch ist
der Messaufwand. Aus diesem ökonomischen Zwang heraus
messen viele Anwender auf den ersten Blick als plausibel
erscheinende „Behelfsparameter“. Beispielsweise messen sie
die Material-Reinheit der Wischmittel anstelle der Oberflächen-
Reinheit, die sie herbeiführen wollen. Aus der Material-Reinheit
auf die Oberflächen-Reinheit nach Reinigen zu schließen ist
jedoch im ersten Denkansatz bedenklich. Die Ersten, die
diesen Irrtum in eine nationale Spezifikation umgesetzt haben,
waren im Jahr 1970 die damaligen Mitglieder des Panel 4 -
Cleanroom Wipers - des IEST Institute for Environmental
Science and Technologies, USA.
In vielen Betrieben der Reintechnik ist man der Annahme,
je reiner ein HiTech-Wischmittel desto reiner auch die damit
gereinigte Objekt-Oberfläche, die gleiche Topographie voraus-
gesetzt. Wir fanden jedoch für diese Annahme bislang keine
experimentelle Bestätigung. Auch in der Ausgabe IEST-RP-
CC004.4 - Contamination Control Division - Recommended
Practice CC004.4 Evaluating Wiping Materials Used in Clean-
rooms and Other Controlled Environments aus dem Jahr 2019
wird in Abs. 8 von der gleichen Annahme wie in früheren
Jahren ausgegangen, dass der Reinheitsgrad eines Wisch-
mittels mit der Oberflächen-Reinheit der damit gereinigten
Objekt-Oberfläche nur mittelbar und in vielen Fällen über-
haupt nicht korreliert. Bei Versuchen im Clear & Clean-For-
schungslabor konnten wir nachweisen, dass die Übertragung
Wischmittel-gebundener organischer Verunreinigungen auf die
funktionale Oberfläche nicht lediglich von der im Wischmittel
befindlichen Verunreinigungs-Masse abhängt, sondern viel-
mehr von der nachstehend aufgeführten Parameter-Gruppe:
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