Page 75 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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der Oberfläche bildenden Raumladung. Die Energiehöhe X
kennzeichnet das Maß der Besetzung dieser Zustände. Die
Ursache von Ladungsübertritten zwischen zwei Oberflächen ist
darin zu sehen, dass alle Oberflächen-Zustände bis zur Höhe
des Fermi-Niveaus besetzt werden und es so zu einer Umver-
teilung der Ladungsträger kommt.
In der Praxis entstehen elektrostatische Effekte zumeist durch
zyklische Berührungen und Trennungen von Kunststoff-Ober-
flächen. Solche oszillierenden Kontakt- und Trennzyklen erfol-
gen z. B. beim Gehen mit Gummisohlen auf einem Kunststoff-
Fußboden. Die Schuhsohlen berühren flächig den Fußboden,
und es kommt zu einer Ladungsträger-Umverteilung. Beim
nachfolgenden Abheben der Schuhsohle vom Boden entsteht
ein Ladungsüberschuss sowohl an der Schuhsohle als auch am
Fußboden. Zunächst wird sich die so entstehende Ladung über
die verbleibende Kontaktfläche zwischen Boden und Schuh-
sohle ausgleichen. Dies erfolgt bis zum letzten Berührungs-
punkt derselben. Überschreitet der Übergangs-Widerstand an
diesem Punkt 10 Ohm, so kann der Ladungs-Ausgleich nicht
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mehr vollendet werden und es verbleibt eine Flächenladung
sowohl auf der Schuhsohle als auch am Boden. Ähnlich verhält
es sich bei einem wischenden Reinigungsvorgang. Dabei
ergeben sich jedoch wesentlich mehr Oberflächen-Kontaktstel-
len zwischen den Reibepartnern als bei einer bloßen Berührung
derselben im ruhenden Kontaktzustand. Daher entsteht beim
Reiben gemeinhin eine erheblich größere Ladung.
Der Ladungsträger-Überschuss gerade getrennter Oberflächen
wird je nach Umgebungs-Bedingungen mehr oder weniger
schnell entladen. Maßgebend für die Entladungszeit ist der
Ableit-Widerstand. Dieser Begriff schließt die Gesamtheit aller
elektrischer Widerstände zwischen geladener Oberfläche und
Erde ein. In diesem Zusammenhang wird oftmals angenom-
men, dass die Umgebungsluft, je feuchter sie ist, ein endlicher
elektrischer Widerstand ist und den Ableitwiderstand modi-
fiziert. Dies trifft jedoch nur im begrenzten Maße zu. Selbst
feuchte Luft hat einen elektrischen Widerstand nahe unendlich.
Der Einfluss feuchter Luft auf den Oberflächen-Widerstand
wird einerseits durch die Ein- und Anlagerung von Wassermo-
lekülen in die Molekülstruktur der betreffenden Material-Ober-
fläche und z. T. auch durch eine Wasserstoffbrücken-Bildung
bewirkt. Ferner kann durch die Lösung mineralischer Salze in
einer feuchten Oberflächen-Schicht eine ionische Leitfähigkeit
eintreten, insbesondere bei Papieren aber auch bei Reinigungs-
Tüchern mit zellulosischen Inhaltsstoffen. Die Hygroskopi-
zität eines Materials bestimmt also in hohem Maße dessen
Oberflächen-Widerstand.
5.1.1 Der Oberflächen-Widerstand Auch eine andere Annahme aus der Vergangenheit hat sich als
falsch erwiesen: Die Annahme einer Beziehung zwischen Ober-
flächen-Widerstand und Aufladbarkeit von Materialien. Mal-
inverni hat in seinem Aufsatz “Surface Resistivity: Why?” [2]
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