Page 16 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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Einführung von Heinz-Josef Kiggen           Vor den 1970er Jahren waren die Industriezweige, die wir
                                                       heute als HiTech-Industrien bezeichnen, noch spärlich gesät
                                                       und der Bedarf in diesen Bereichen an reinen Fertigungsme-
                                                       thoden war gering. In den 70er Jahren begann dann jedoch
                                                       die noch junge Halbleiter-Industrie an Fahrt aufzunehmen, und
                                                       diese Entwicklung erforderte immer mehr hochreine Materia-
                                                       lien, Maschinen und Fertigungs-Prozesse.

                                                       Einem internationalen von den USA ausgehenden Trend
                                                       entsprechend, wurden aus „partikelarmen“ Fertigungsräu-
                                                       men mit reinen Arbeitsbänken schnell größere Reinräume mit
                                                       Laminarstrom-Luftumwälzung. Die Fertigungs-Ausbeuten der
                                                       Halbleiter-Fertigungs-Prozesse waren zu Anfang noch recht
                                                       limitiert. Die Halbleiter-Industrie lernte jedoch schnell, dass
                                                       für die Ausbeute-Optimierung die Reduzierung der Partikel-
                                                       dichte eine der Voraussetzungen war. Bald erkannte man
                                                       auch den schädlichen Einfluss ionischer Kontamination auf die
                                                       Fertigungs-Prozesse und die nachhaltige Zuverlässigkeit der
                                                       Schaltkreise. Eine Vielzahl von Maßnahmen wurde eingeleitet,
                                                       um schädliche Kontamination vom Prozessgeschehen fern zu
                                                       halten.
                                                       Zu diesem Zweck wurde zunächst das Reinraum-Personal mit
                                                       reinen Overalls, Handschuhen und Mundschutz versehen. Die
                                                       Mitarbeiter in den Overalls wurden vor dem Betreten der Rein-
                                                       räume durch Blasluftschleusen geführt. Für den Reinraum und
                                                       die darin befindlichen Maschinen wurden Reinigungsintervalle
                                                       mit ionenarmen Reinigungsmitteln erarbeitet. Partikel-Mess-
                                                       geräte und Überwachungssysteme wurden entwickelt, bezie-
                                                       hungsweise verfeinert, um das Kontaminations-Geschehen zu
                                                       begrenzen und erforderliche Reduktionsmaßnahmen messtech-
                                                       nisch zu begleiten.
                                                       In Bezug auf die Auswahl des Reinraum-Verbrauchsmaterials
                                                       war man als Prozessingenieur zu Beginn der achtziger Jahre
                                                       noch recht sorglos, wohl weil die Prozess-basierte Ausbeute-
                                                       Optimierung zunächst den klaren Vorrang hatte. Es gerieten
                                                       dann jedoch bald auch Overalls, Handschuhe und chemische
                                                       Reinigungsmittel in den Fokus der Fertigungs-Ingenieure.
                                                       Schließlich erkannte man die Komplexität der wischenden Rei-
                                                       nigungsprozesse, als man nämlich bemerkte, dass der Rein-
                                                       heitszustand z. B. von Plasma-Ätzmaschinen direkte Auswir-
                                                       kungen auf die Stillstandzeiten dieser extrem teuren Anlagen
                                                       und somit auf die Produktivität hat.

                                                       Bereits Mitte der siebziger Jahre hatte Win Labuda, der
                                                       Haupt-Autor dieses Buches, einen deutschen Elektrokonzern
                                                       mit seinen textilen Reinigungs-Manschetten für die offenen
                                                       IBM-Speicherplatten und mit Reinigungsfilzen für Laser-Toner-
                                                       Drucksysteme beliefert. Wischmittel der geforderten Material-
                                                       reinheit und Reinigungseffektivität gab es zu der Zeit lediglich
                                                       in den USA. Ein Besuch bei Mr. Edward Paley von der Texwipe
                                                       Inc. im Jahr 1974 hatte Labuda die Augen dafür geöffnet,

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