Page 20 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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Industrie weitere Fertigungs-Prozesse, bei denen die Ausbeute
                                                       durch staubhaltige Umgebungsluft reduziert werden konnte.
                  durchgehende
                  Filtermatte  Filterrahmen            Dies betraf insbesondere die Herstellung von Uhren aber auch
                                                       von Präzisions-Kugellagern für Kreiselkompasse. So gab es
                                                       zwischen Technik und Medizin ein historisches Nebeneinander,
                                                       wenngleich mit unterschiedlicher Zielsetzung. Waren es bei der
                                                       Medizin humanitäre und hygienische Gründe, welche die Ärzte
                                                       motivierten, lagen die Gründe der Ingenieure für den Einsatz
                                                       der Techniken des Reinen Arbeitens zunächst im militärischen
                                                       und erst später im industriellen Bereich. Anfang der vierziger
                                                       Jahre stellte sich bei den ersten Versuchen des Manhattan-
                                    Aluminium-         Projekts zum Bau der Atombombe das Problem, geeignete
                                    Separator
                                                       Feinfilter zu bekommen mit deren Hilfe man die Umgebungs-
                                                       luft hochgradig von radioaktivem Staub reinigen konnte. Aus
           Abb. 1 moderner HEPA-Filter, Schnittbild - das wichtigste   dieser Notwendigkeit heraus entstand dann der HEPA-Filter
           Element beim Bau von Reinräumen. (Schema: Wikimedia
           Commons)                                    (High Efficiency Particulate Air Filter) (Abb. 1).

           1.1 Von Reinheit und Reinraum               Der Begriff Reinraumtechnik steht zunächst einmal für eine
                                                       bestimmte Kombination von Gebäude- und Belüftungstech-
           Reinraumtechnik, Reinheitstechnik           nik. Sie ist eine der Voraussetzungen für die Durchführung
           oder einfach                                bestimmter Fertigungs-Prozesse in Staub-reduzierter Luft.
           Reintechnik ?                               Reinraumtechnik gehört somit als Unterbegriff zu den „Techni-
                                                       ken des Reinen Arbeitens“. Die Semantik des Begriffs schließt
                                                       im gebräuchlichen Sinne aber auch die partikuläre Reinheit
                                                       des mit „Reinraum“ bezeichneten Volumens, die Luft- und
                                                       Oberflächen-Reinheits-bezogenen Messverfahren, die Rein-
                                                       raum-Bekleidung, die in Reinräumen eingesetzten Reinigungs-
                                                       Hilfsmittel und das Reinraum-Verbrauchsmaterial ein.
                                                       Reinheit ist keine absolute Größe. So bezieht sich der Begriff
                                                       Reinraum in Wahrheit auf einen „reineren“ Raum relativ
                                                       zum „weniger reinen“ Raum. Denn weder ist ein „Reinraum“
                                                       absolut rein noch ist ein „Standard-Fertigungsraum“ z. B. für
                                                       die Herstellung von Damenschuhen absolut unrein. Zudem
                                                       bezieht sich die Reinheitsangabe für Reinräume bisher lediglich
                                                       auf die dort vorhandene Anzahl der luftgetragenen Partikel
                                                       pro Volumen-Einheit, nicht jedoch auf die Anzahl der insge-
                                                       samt darin befindlichen Partikel. Während wir mit dem Begriff
                                                       Reinraum im Allgemeinen die Vorstellung von einem Raumge-
                                                       bilde mit reduzierter wenngleich homogener Partikel-Verteilung
                                                       verbinden so müssen wir bei genauerem Studium erkennen,
                                                       dass diese Annahme nicht ganz der Realität entspricht. Viel-
                                                       mehr entstehen im Betriebszustand von Reinräumen durch
                                                       unterschiedliche Strömungs-Bedingungen (Abb. 2) sog. hot-
                                                       spots - das sind Orts-Volumina mit erhöhter bzw. verminderter
                                                       Partikeldichte.

                                                       Zudem wird in vielen Fällen die Anzahl der orts-residenten
                                                       Partikel an Reinraum-Wänden und Objekt-Oberflächen dieje-
                                                       nige der Luft-getragenen sogar deutlich übertreffen. Nimmt
                                                       man all dies als gegeben an, dann zeigt sich Reinraum als
                                                       unzureichend definierter Oberbegriff. Solche unpräzise
                                                       definierten Oberbegriffe sind jedoch oftmals die Grundlage

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