Page 25 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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die Fertigungs-Umfelder zunehmend reiner. In den frühen
Jahren des Reinen Arbeitens - etwa um das Jahr 1960 - waren
es vor allem weiße Kittel mit Armbündchen, die während
des Arbeitens einen Teil der Partikel vom gefertigten Produkt
fern hielten, später - Anfang der 70er Jahre - wurden bereits
zunehmend Kopfhauben getragen und auch setzte sich das
ganztägige Tragen von Handschuhen durch.
Die Fertigungs-Umfelder mussten auch schon deshalb reiner
werden, weil wir anfangs bei der Germanium-Technik unge-
fähr 12 verschiedene Transistor-Typen aus einer Diffusion
herausgelesen hatten - und zwar manuell. Aber natürlich
waren das trotz höherer Reinheit immer noch keine beherrsch-
ten Fertigungsprozesse im heutigen Sinne. Erst nachdem
die Rundfunk-Branche sich für den Einsatz von Transistoren
entschieden hatte um die verschleißanfällige Radioröhre
abzulösen, musste die relativ geringe Fertigungs-Ausbeute für
Transistoren steigen, damit deren Preise in marktkonforme
Regionen gelangen konnten und nun wurde es ernst mit der
Reinheit.
1.4 Transistor - Beginn einer Das Erscheinen der ersten Transistoren (Abb. 10) im Elek-
Zeitenwende tronik-Markt war eine Herausforderung für uns alle. Der
Autor erinnert sich, dass ein Siemens-Ausbilder im Jahr 1956
alle seine Lehrlinge zusammenrief. Er hielt ein zylindrisches
Gebilde von etwa 10 mm Durchmesser mit drei herausge-
führten Drähten in die Höhe, dann sagte er mit weihevoller
Stimme: „Dieses Teil wird eure Zukunft mehr verändern als
der 2. Weltkrieg uns verändert hat.“ Das war damals für uns
eine absolut unverständliche Weissagung und in der Lehrwerk-
statt Anlass zu unzähligen ironisierenden Imitationen mit den
sonderbarsten Objekten aber letzten Endes hat sie sich dann
an der Mikrochip-Technologie bewahrheitet und zwar in einem
Maße, in dem wir es selbst zur Jahrtausendwende noch nicht
für möglich gehalten hätten.
Nur dreißig Jahre waren vergangen bis 1986 der erste große
Reinraum der Siemens AG in Regensburg für die Herstellung
von Speicher-Chips gebaut wurde. Es gab am Siemens-
Standort Villach in Österreich bereits eine gut funktionierende
Produktion von Halbleiter-Schaltkreisen geringerer Speicher-
Kapazität. Auch gab es etwa zur gleichen Zeit bereits Rein-
Abb. 10 Transistor (Foto: Marcin Wichary, Quelle: htt-
ps://www.flickr.com/photos/mwichary/3949281947/in/ räume der Halbleiter-Fertigung bei IBM-Sindelfingen,Texas
album-72157622284092113/ - das Foto wurde digital Instruments in Freising, bei Intermetall (später Micronas)
nachbearbeitet) in Freiburg, bei Bosch in Reutlingen, bei Philips-Valvo (seit
2003 NXP) in Hamburg und beim Halbleiterwerk Dresden. Von
den Genannten war aber damals außer Siemens-Regensburg
lediglich noch IBM-Sindelfingen in der Lage 1-Megabyte-Chips
in Großserie zu fertigen. Der Fertigungs-Beginn des 1MB-Chip
wurde bei IBM in Sindelfingen sogar im Beisein des zu der Zeit
amtierenden Bundeskanzlers Kohl vollzogen.
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