Page 262 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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Im kybernetisch aufgefassten Prozess-System entspricht
                                                       jedem Verbrauchsmaterial ein potentiell Prozess-relevantes
                                                       Kontaminations-Maximum. Dies wird jedoch durch prozess-
                                                       technische Maßnahmen so weit reduziert, dass zumindest die
                                                       reguläre Kontamination des Verbrauchsmaterials nicht Prozess-
                                                       relevant sondern System-immanent ist.

                                                       Wir stellen fest, dass im Zusammenhang mit der Anwendung
                                                       von Reinraum-Verbrauchsmaterial Erkenntnis-Bedarf besteht
                                                       der durch die bestehenden Simulations- und Messmethoden
                                                       nicht erfüllt ist. Im Teil II des vorliegenden Aufsatzes werden
                                                       u. a. die Defizite der bekannten Prüfmethoden behandelt.
                                                       Zudem werden drei neue Prüfmethoden vorgestellt.

                                                       Die reale Gebrauchs-induzierte Partikelfreisetzung des Rein-
                                                       raum-Verbrauchsmaterials ist sowohl von der mechanischen
                                                       Arbeit der Oberflächen-Verformung (in Joule) bestimmt, als
                                                       auch von den Umgebungs-Bedingungen, welche die Partikel-
                                                       Haftung beeinflussen. Sollen allgemein vergleichbare Mess-
                                                       ergebnisse produziert werden, so scheint es notwendig, sich
                                                       auf ein definiertes Simulations-System zu verständigen bei
                                                       dem die Erfassung aller relevanten Einfluss-Größen auf die
                                                       Partikelfreisetzung sichergestellt ist.

                                                       Die maximale Gebrauchs-induzierte Partikelfreisetzung ist ein
                                                       Parameter 2. Ordnung solange er nicht in Relation zur Redu-
                                                       zierung der Prozess-Ausbeute (yield loss) gebracht werden
                                                       kann. Daher ist die Auswahl von Reinraum-Verbrauchsmaterial
                                                       lediglich Prozess-spezifisch und mittels heuristischer Methoden
                                                       möglich, wie es heute bei den Techniken des Reinen Arbeitens
                                                       auch Stand der Technik ist. Die Auswahl von Reinraum-Ver-
                                                       brauchsmaterial für bestimmte Fertigungs-Prozesse erfolgt in
                                                       Ermangelung des Bezugs zur Prozess-Ausbeute zumeist durch
                                                       komparative Prüfmethoden oder sog. „Praxis-Tests“.

                                                       Wir zeigen die prinzipiellen Unterschiede von Partikelfreiset-
                                                       zung im flüssigen relativ zum gasförmigen Medium, sofern
                                                       sie bei der Simulation von Partikelfreisetzung von Reinraum-
                                                       Handschuhen und Reinigungs-Tüchern eine Rolle spielen.
                                                       Dabei weisen wir auf die Vielzahl von Zwischen-Zuständen hin,
                                                       welche bei Teil-getränkten Reinraum-Tüchern die Messwerte
                                                       maßgeblich beeinflussen.

                                                       Wir weisen außerdem darauf hin, dass die Partikelfreisetzung
                                                       von Reinraum-Verbrauchsmaterial immer auch im Zusam-
                                                       menhang mit der filmischen Verunreinigung von Oberflächen
                                                       gesehen werden muss. Es ist ein bei uns nahezu nie beobach-
                                                       teter physikalischer Zustand, dass eine Oberfläche frei von
                                                       filmischer Kontamination ist. Auch diese hat in ihrer Rolle als
                                                       Substrat-Zwischenschicht bedeutenden Einfluss auf die Parti-
                                                       kelhaftung und ihre Freisetzung.




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