Page 69 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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Die für diese Prüfung gelegentlich angewendete Prüfmethode
des Flextest nach Gelbo ist für die realitätsnahe Bewertung
der Partikelabgabe von Textilien der Reintechnik nach unserer
Auffassung nicht geeignet, da der auf den Prüfling wirkende,
mechanische Stress zu hoch und die Fixierung der Prüflinge
im Gerät ungeeignet ist. Üblicherweise wird von den Anwen-
dern der mechanische Stress bei der Handhabung von HiTech-
Reinigungs-Tüchern in Reinräumen durch definierte Faltungs-
Prozesse möglichst geringgehalten. Daher haben wir die
Prüfmethode modifiziert und den auf den Prüfling wirkenden
mechanischen Stress praxisnah verringert.
Unsere Untersuchungen zeigen, dass es bei HiTech-Vliesstoff-
Tüchern insbesondere bei hohem mechanischem Stress
zur messbaren Freisetzung von Partikeln in die Umgebung
kommen kann. Durch die allgemeine Verringerung dieses
Stresses kann die Partikelfreisetzung aber deutlich reduziert
werden. Zudem ist die Partikelfreisetzung derart aufbereiteter
HiTech-Tücher um Größenordnungen geringer als die von han-
delsüblichen Allzweck-Papiervliestüchern (diese sind nicht zur
Nutzung in Reinen Umgebungen geeignet). Es wird im Rahmen
dieser Untersuchungen deutlich, dass der Anwender einen
Mehrwert durch den Einsatz von HiTech-Vliesstoff-Tüchern
erreicht. Bei höheren und höchsten Reinheits-Anforderungen
hingegen können hochgradig dekontaminierte HiTech-Reini-
gungs-Tücher aus Kunststoff-Gestricken eingesetzt werden.
Selbst bei höherem mechanischem Stress werden dadurch
nahezu keine Partikel in die Umgebung hinein freigesetzt.
4.4 Die EU-GMP-Richtlinie In Reinräumen, in denen die EU-GMP-Richtlinie zur Anwendung
kommt (Good Manufacturing Practice - Gute Herstellungspra-
xis), gelten zusätzlich zu den allgemeinen Reinheits-Anforde-
rungen typischer Reinräume erweiterte Anforderungen an die
mikrobiologische und biochemische Reinheit der darin einge-
setzten Verbrauchsgüter. Da jede Abweichung beim Produkt
unmittelbare Auswirkungen auf die Gesundheit des Anwenders
haben könnte, beinhaltet die Richtlinie umfangreiche Maßnah-
men zum Qualitäts- und Risikomanagement.
Mikroorganismen weisen im Vergleich mit anderen Verunrei-
nigungen eine einzigartige Eigenschaft auf: Sie besitzen die
Fähigkeit zur Selbst-Reproduktion (siehe Abb. 20). Bei unge-
hemmtem Wachstum nimmt ihre Masse und Anzahl immer
weiter zu und sie breiten sich aus – sowohl im Reinraum als
auch auf kontaminierten Produkten. Ihr Gefahrenpotenzial wird
dabei nicht nur von der Anzahl, sondern auch von ihrer Art
und ihrer pathogenen Wirkung bestimmt. Bereits abgetötete
Mikroorganismen hinterlassen unter Umständen schädliche
1 µm
Endo-Toxine. Zudem kann es durch Mutationen zur Ausbildung
Abb. 20 Cholera-Bakterien (Vibrio cholerae) (Sekundär- von Resistenzen gegen einige Desinfektionsmittel kommen.
elektronenmikroskopie). Typische Maße sind 2–3 Mikrome-
ter Länge, 0,5 Mikrometer Dicke.
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index.php?curid=197609 Oberflächen-Reinheit in GMP-Reinräumen eine zentrale Rolle,
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