Page 231 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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das Verbrauchsmaterial desto höher die Prozess-Ausbeute. Ein
Funktions-Hypothese Zusammenhang zwischen Verbrauchsmaterial-Reinheit und
100 Prozess-Ausbeute ist in der Literatur jedoch nicht beschrieben.
Schwell- Plausibel ist lediglich, dass mit zunehmender Verbrauchsma-
wert terial-Kontamination die Prozess-Ausbeute nach Überschrei-
ten einer bestimmten Kontaminations-Masse abnimmt. Es ist
Produkt-spezifische Ausbeute-Minderung AM spez (Defekt-Dichte) Hypothetischer Bereich zudem vorstellbar, dass diese Funktion an einen Prozess-spezi-
fischen Schwellwert gebunden ist (Abb. 3).
Erschwerend für die Etablierung eines integralen Reinheits-
Systems in der modernen HiTech-Fertigung kommt hinzu, dass
die Verbreitungswege von Kontamination in den Fertigungs-
Umfeldern kaum nachvollziehbar sind. Dies gilt auch für die
chemische (ACC) und die molekulare (AMC)-Kontamination.
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Kontamination KM spez Sie sind wesentlich von der Umgebungs-Temperatur, fluktuie-
0 des Verbrauchsmaterial 100 renden elektrischen Feldern, relativer Feuchte, forcierten Luft-
Strömungen, wechselnden temporären Ruheorten der Partikel
Abb. 3 Kontaminationsmenge und Prozess-Ausbeute-Min- sowie von der Oberflächen-Beschaffenheit und nicht zuletzt
derung durch das Verbrauchsmaterial auch vom Operator-Handling bestimmt. Hinzu kommt, dass
eine Korrelation zwischen Luft- und Oberflächen-Reinheit nicht
gegeben ist [5]. Aus all dem ergibt sich, dass eine Zuordnung
von Verbrauchsmaterial-bezogener Kontamination zur Prozess-
Ausbeute-Minderung aus prinzipiellen Gründen nicht möglich
ist.
14.2.5 Fertigungs-Prozess als kyberneti- Betrachten wir beispielsweise einen Fertigungsprozess als
sches System flexibles kybernetisches System, so definieren wir mit der Pro-
zess-Beschreibung Prozess-taugliche Materialien, Verfahrens-
schritte, Soll- und maximale Istwerte, welche alle an einem
Prozessziel orientiert sind: An der kontinuierlichen Fertigung
eines Produkts mit optimierter Prozess-Ausbeute. Die Wahl
der Prozess-Schritte, die Bestimmung der Sollwerte und die
Wahl der Hilfsstoffe basieren auf der eigenen Prozesserfahrung
sowie dem Benchmarking mit Prozess-Anbietern oder Wettbe-
werbern. Sie sind orientiert am jeweiligen technischen Stand
der Systeme und Materialien. Weist ein Verbrauchsmaterial
also eine bestimmte reguläre Kontaminations-Abgabe auf, so
ist diese eben Teil des Prozess-Geschehens. Das Prozessziel ist
durch die reguläre Kontaminations-Freisetzung eines einge-
planten Verbrauchsmaterials nicht gefährdet. Das Gefahren-
Potential für die Prozess-Kontinuität geht vielmehr von poten-
tiellen katastrophischen Ereignissen aus, welche die effektive
Kontamination an manchen Prozessorten drastisch erhöhen
können. Dies geschähe beispielsweise, wenn ein Handschuh-
Hersteller aus Versehen gepuderte anstelle von Reinraum-
Handschuhen liefert und das unbemerkt bleibt. Dann kann es
in der Fertigung zu Kontaminations-Spitzen kommen, die auch
Prozess-relevant werden können. Solche Vorkommnisse sind
jedoch extrem selten und lassen sich zudem kaum verhindern.
Ist in einer Fertigung einmal ein prozesstechnisch eingespielter
“Material-Mix“ etabliert, so muss der Prozessführer in ökono-
mischer Abwägung entscheiden, ob sich etwa die Beibehaltung
des bestehenden Material-Mix oder aber der Wechsel zu einem
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