Page 235 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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tegie ist das Tragen von Handschuhen [9]. Fingerabdrücken
ist also sowohl eine ästhetische als auch eine hygienische
Komponente zu eigen (Abb. 5). Täglich werden weltweit große
Summen für die Beseitigung von Fingerabdrücken ausge-
geben. Dabei gilt als Erfolgskriterium der durchgeführten
Reinigungs-Prozeduren zumeist die Reduzierung der visuellen
Erkennbarkeit der Abdrücke. Darüber hinaus bestehen jedoch
in vielen Fällen visuell nicht leicht erkennbare Verunreinigungs-
Rückstände im Masse-Bereich von Nanogramm. Diese können
unerwünschte Auswirkungen auf die Funktionalität technischer
Systeme als auch auf die Übertragung pathogenetischer Mikro-
Organismen haben. Seit 1998 wissen wir, dass die kleinsten
Bakterien in Tiroler Seen eine Masse von etwa 10 ng haben.
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Bei Experimenten zum Stofftransfer von Präzisions-Reinigungs-
Tüchern während wischender Reinigungs-Prozeduren haben
wir einen Massezuwachs von 0,5 - 1,7 x 10 g/cm gemessen.
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Der Massezuwachs entspricht also maximal etwa 10 Bakterien
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pro cm . Diese (hypothetische) Transfermenge kann, beispiels-
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weise angesichts der Regeln denen sich viele Staaten zum
Schutz der extraterrestrischen Reinheit verpflichtet haben,
durchaus relevant sein [10].
Filmische Verunreinigungen funktionaler Oberflächen sind
bekanntermaßen nicht auf Finger-Abdrücke beschränkt
sondern wir kennen eine große Anzahl Funktionalitäts-ein-
schränkender filmischer Kontaminanten. Auf das Reinraum-
Verbrauchsmaterial bezogen sind es vor Allem die folgenden
Produkte, welche erfahrungsgemäß als Quelle nicht flüchtiger
Kontamination infrage kommen: Handschuhe, Tücher, Swabs,
Mopps, Bekleidung, Verpackungs- und Klebematerial. Filmische
Verunreinigungen können beispielsweise die folgenden tech-
nischen Parameter beeinträchtigen: Die Adhäsionskraft von
flächigen Verbindungen der adhäsiven Fügetechnik und von
Lacken, die Kontrast-Übertragung von Linsen und Objektiven,
die Funktionalität von Spiegelsystemen der Lasertechnik. Es
kann aber durch Chemikalien-Rückstände auch zur Quer-Kon-
tamination durch Ausgasen und zur Kondensatbildung aus der
Gasphase der Rückstände kommen. Dabei kann die Kontami-
nation sowohl Produkt-inhärent durch Hilfsstoffe verstärkt oder
auch extern herbeigeführt worden sein. Letzteres ist z. B. der
Fall bei Reinraum-Tüchern, deren Reinigungs-Effektivität durch
den Einsatz von Lösungsmitteln erhöht wird.
14.2.11 Beispiel: Getränkte Das Thema Oberflächen-Kontamination durch getränkte
Reinigungs-Tücher Reinigungs-Tücher ist nicht unwichtig. Solche Tücher werden
in versiegelten Kunststoffbeuteln oder Plastik-Eimern bereit-
gestellt, die zumeist mit einem Di/IPA-Wasser-Gemisch gefüllt
sind. Die Beutel sind mit einer wieder verschließbaren Klebe-
lasche versehen. Die Feuchttuch-Eimer haben einen Deckel mit
Druck-Verschluss. Es wurden drei Tücher-Fabrikate auf ihre
jeweils auf der Kollektor-Platte [11] hinterlassenen Rückstände
geprüft. Beim 1. Versuch haben wir den Tuch-Abschnitt eines
feuchten Zellstoff-Polyester-Vlies unbeschwert auf die Kollek-
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