Page 244 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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unterscheidet (Abb. 9). Ist die Kollektor-Platte auf der Bühne
eines geeigneten Mikroskops befestigt, so kann der Feststoff-
Rückstand fotografiert und mit einiger Erfahrung der Masse
nach geschätzt werden.
Die Kollektor-/Transfer-Platte [11] ist eines der vielseitigsten,
preiswertesten und leichtesten Prüfmittel für die direkte oder
mikroskopische Visualisierung von sowohl partikulärer als
auch filmischer Kontamination. Zudem lässt sie sich für die
schnelle Beurteilung der Reinheit von Lösungsmitteln, Wisch-
Abb. 9 Nicht-flüchtiger Rückstand (NFR) von Reinraum- mitteln aber auch deren Reinigungs-Effektivität einsetzen. Die
Tüchern. Chemikalien-Rückstände aus Reinraumtuch Methode wird im Artikel „Visualisierung von Mikro-Verunreini-
nach Auftrocknen auf Labuda-Kollektor-Platte
(Oligomere, Tenside, Spinn- und Strickölreste), links nach gungen“ (Seite 185 ff.) im Detail beschrieben.
Acetontränkung, rechts nach 2-Propanol-Tränkung
14.3.11 Vorsicht bei sogenannten In Reinraum-Betrieben wird immer wieder einmal die Aufgabe
Praxis-Tests gestellt, die Funktionalität von Verbrauchsmaterial zu prüfen,
oder ggf. alternatives Verbrauchsmaterial auszuwählen.
Möchte man beispielsweise in Erfahrung bringen wie viele Par-
tikel sich durch die mechanische Gebrauchs-Belastung (mehr-
faches Falten, kontrollierter Wischvorgang) von einem Reini-
gungstuch lösen und in die Umgebung gelangen, so genügt es
z. B. für eine gesicherte Qualitäts-Aussage keinesfalls, lediglich
einen oder zwei Prüflinge zu untersuchen. Das betrifft auch
Reinraum-Handschuhe und andere Reinraum-Verbrauchsma-
terialien. Der Grund dafür liegt in den prinzipiell inhomogenen
Strukturen von Materialien wie etwa diejenige von Polyester-
Zellstoff-Tüchern oder PET-Gestricken. Bei Messreihen von 24
Einzelmessungen zeigte sich z. B. für den Parameter Luft-
Partikelfreisetzung hohe Varianz. Erst eine größere Anzahl
von Einzelmessungen lässt bei vielen Verbrauchsmaterialien
ein plausibles Messergebnis erwarten. Wenn der Variations-
Koeffizient der gemessenen Einzelwerte über 50 % liegt, dann
muss man daran denken die Mess-Methode infrage zu stellen.
Praxis-orientierte Prüfmethoden wie manuelles Knüllen,
Ziehen und Stauchen von Tüchern über der Partikelsonde oder
Reiben der Handflächen im Tragezustand von Handschuhen
sind ungeeignete Prüfmethoden, die den Gebrauchs-Stress
der Materialien nicht realitätskonform simulieren. Weil dem
Reinraum-Anwender normalerweise für diese Produkte jedoch
kein geeignetes Prüf-Instrumentarium zur Verfügung steht
und er zudem keine ausgebildeten Textil- oder Kautschuk-
Prüfer beschäftigt, kommt es erfahrungsgemäß bei den sog.
„Praxistests“ der Anwender immer wieder zu wenig plausiblen
Prüfergebnissen, welche dann jedoch in fehlerhafter Weise die
Material-Auswahl bestimmen. Andererseits sind die Ergeb-
nisse sinnvoll geplanter „Praxistests“ nicht unwichtig, weil
es beispielsweise ein Unterschied ist, ob in einer Fertigung
ausschließlich glatte Oberflächen gereinigt werden oder glatte
Oberflächen mit einer scharfkantigen Lochstruktur. Dies zeigt
jedoch nur die Praxis. Ein paar Beispiele von Analysen mit
unterschiedlichen Prüfmethoden sind in Abb. 10 gegeben.
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