Page 241 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
P. 241
dass die Masse der Rückstände auf der Objekt-Oberfläche
nicht deren Masse im textilen Gebilde entspricht. Das bedeu-
tet: Die Verunreinigungs-Masse im Wischmittel lässt nicht auf
die Verunreinigungs-Masse der Objekt-Oberflächen schließen,
die wir eigentlich in Erfahrung bringen wollen.
14.3.7 Gasförmige Kontamination (VOCs) In direktem Zusammenhang mit der filmischen Kontamina-
tion von Objekt-Oberflächen steht die Ausgasung organischer
Verbindungen (VOC-Volatile Organic Compounds) von den
inneren und äußeren Strukturen des Reinraum-Verbrauchsma-
terials in die Umgebungsluft [20]. Das Phänomen und seine
messtechnische Erfassung ist unter dem Begriff „Ausgasung“
im Blatt 17 der VDI-Richtlinie VDI 2083 [21] und sinngemäß
auch in der DIN ISO 16000 ff. beschrieben. Insbesondere die
Produkte Bekleidung, Handschuhe, Reinraum-Tücher, Swabs,
Folien-Verpackungen, Filter-Materialien aber auch der Mensch
sind bekannt für die Freisetzung molekularer Kontaminanten
in die umgebende Atmosphäre. Für die Halbleiter-Fertigung
werden Phtalate, Amine, Siloxane, Bor, Ammoniak, organische
Phosphate und manche kondensierbaren organischen Stoffe
als kritisch beschrieben [22]. Auch für die Raumfahrt-Industrie
ist Ausgasung ein kritischer Parameter [23].
Die Bestimmung der flüchtigen Organika aus den Verbrauchs-
materialien erfolgt heute zumeist noch durch Thermo-
Desorption mit nachfolgender Gas-Chromatographie und
massen-spektrometrischer Analyse. Diese Methode ist zwar
relativ genau aber für die meisten Anwender nicht rentabel -
schon wegen der Anschaffungs-Kosten für das Instrumenta-
rium im sechsstelligen Bereich. Man könnte nun meinen, das
Problem ließe sich durch Zertifizierung bei einer der vielen
Zertifizierungs-Unternehmen wie Fraunhofer, M+W Zander,
SGS-Fresenius u.v.a. lösen. Dem steht jedoch entgegen, dass
man mit einem Zertifikat lediglich in den Besitz einer Informa-
tion von zeitlich begrenztem Wahrheitsgehalt gelangt, solange
die Fertigungsqualität der Verbrauchsmaterial-Hersteller nicht
kontinuierlich durch den Zertifikats-Aussteller überwacht und
die so gewonnenen Fertigungsdaten zuverlässig dokumen-
tiert werden. Niemand kann sonst wissen, ob die zertifizierten
Daten sechs Monate nach Zertifikats-Ausgabe überhaupt noch
relevant sind. Dies gilt insbesondere für von weither impor-
tierte Fertigungs-Produkte.
Die Ausgasung von Materialien wird oftmals mit Hilfe einer
hermetisch geschlossenen, Spülgas-durchfluteten, bis 400 °C
beheizbaren Prüfkammer aus Edelstahl oder hochreinen
Glasbehältern simuliert, in welche die Prüflinge eingegeben
werden. Wie bei vielen anderen Prüfungen des Reinraum-Ver-
brauchsmaterials, so werden auch für die Ausgasungs-Prüfung
in vielen Fällen nicht Realitäts-konforme Prüf-Prozeduren vor-
geschlagen, wenn sie denn zu einer Erhöhung der Messwerte
führen. In diesem Fall ist es die Erhöhung der Prüftemperatur
von +22 °C auf z. B. +90 °C, wodurch die Ausgasungs-Rate
241