Page 33 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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Win Labuda
Win Labuda
2. Reinheit als Systemparameter
Der Begriff Reinheit ist über lange Zeiträume der Menschheits-
geschichte in einem absoluten Sinne gebraucht worden. Rein
wurde stets im Hinblick auf das Höchstmaß vorstellbarer Rein-
heit betrachtet, im deutlichen Unterschied zur lebensnahen
Unreinheitserfahrung. Es gab in der früheren Reinheitsbetrach-
tung eine deutliche Analogie zu der „Reinheit des Himmels“ im
Gegensatz zum „irdischen Schmutz“ (Franz Kafka, Briefe an
Milena Jesenská).
Die Reinheitsvorstellung änderte sich mit zunehmendem wis-
senschaftlichen Erkenntnisstand und mit der Möglichkeit durch
technische Instrumente den Nachweis materie-gebundener
Unreinheit zu erbringen. Dies gilt insbesondere für das Mikro-
skop, welches bei Beginn des 17. Jahrhunderts von mehreren
Erfindern, u. a. Galileo Galilei vorgestellt wurde.
2.1 Der Reinheitsbegriff Diesem Aufsatz liegt der Gedanke zugrunde, dass für jedes
reinheits-abhängige System ein Reinheitsoptimum besteht,
welches gleichzeitig die optimale Ökonomie des Systems
kennzeichnet (siehe Abb. 1). Reinheit ist also (im Sinne dieses
Aufsatzes) das Maß an Verunreinigung, bei dessen Überschrei-
tung die Funktionalität eines Systems beeinträchtigt wird. Dies
gilt für soziologische, biologische, ökologische und technische
Systeme gleichermaßen.
Prozess
Reinheit zu gering Reinheit zu hoch
Kosten für Kosten für
geringeres Arbeitstempo
Gefährdung für Gesundheit erhöhte Kosten für Hilfs-
und Leben stoffe der Reinhaltung
geringe Prozessausbeute geringeres
geringe Reinkultur Behaglichkeitsniveau
Reklamationen erhöhtes Kontrollniveau
Abb. 1 In jedem Prozess mit einer Abhängigkeit von Audit-Probleme Optimallinie höhere Prozesszeiten
bestimmten Reinheitskriterien besteht ein optimales
Reinheitsniveau. Abweichungen davon erhöhen stets die
Fertigungskosten. Diese Tafel zeigt die verschiedenen
Kostenarten, welche durch ein zu geringes oder zu hohes
Reinheitsniveau entstehen.
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