Page 35 - Zur Reinheit funktionaler Oberflächen
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Im Rahmen neuer Technologien gewinnen bei Beginn des
21. Jahrhunderts auch Nano-Partikel, einzelne Ionen oder
Moleküle als potentielle Verunreiniger im Rahmen moderner
Fertigungsprozesse an Bedeutung. Hier ist ein erheblicher For-
schungsbedarf entstanden weil die Entfernung solcher Mate-
rieteilchen von Oberflächen bisher nicht ausreichend gesichert
ist.
Einhergehend mit dieser Entwicklung nahmen sich die tech-
nischen Normenverbände des Problems Reinheit an und
beschrieben die Anforderungen an reine Arbeitsplätze und
Produkte in Arbeits-Richtlinien, welche dem Ingenieur eine
gute Anleitung für die Techniken des Reinen Arbeitens sind. In
Deutschland geschah dies durch die Aktivitäten des VDI-Verein
Deutscher Ingenieure, welcher mit der Richtlinie VDI 2083 [1]
ein informatives Werk geschaffen hat.
Reinheit ist im Rahmen der neuen Technologien jedoch nicht
nur ein materieorientierter Parameter vieler technischer und
biologischer Systeme, sondern kann sich auch auf materiefreie
Verunreinigungen beziehen wie elektrische und magnetische
Felder, Ionen oder ionisierende Strahlung. Auch diese „Verun-
reinigungen“ sind geeignet, Systeme in ihrer Funktionalität zu
beeinflussen und so gewinnt die materielose Verunreinigung
ständig an industrieller Bedeutung. Man denke an das Phäno-
men elektrostatischer Ladungen (ESD), welches schon heute
markante fertigungstechnische Auswirkungen hat.
In den vergangenen Jahrzehnten konnten viele industrielle
Reinigungsaufgaben, welche zuvor manuell durchgeführt
wurden, automatisiert werden. Beispiele sind die Reinigungs-
verfahren der Tafelglasproduktion, die Reinigung feinme-
chanischer Masseteile, die Leiterplatten-Reinigung und die
Reinigung präzisionsoptischer Glasoberflächen. In den Berei-
chen der Anlagen- und Gerätewartung jedoch haben sich die
wischenden Reinigungsverfahren fester denn je etabliert. So
hat sich der Markt für Reinigungs-Tücher weltweit auf über
1 Milliarde US-Dollar pro Jahr entwickelt. Die Erforschung der
Wirksamkeit verschiedener textiler Konstruktionen von Reini-
gungs-Tüchern auf die Dauer der erforderlichen Reinigungszeit
verschiedener Oberflächen- und Verunreinigungsarten steht
jedoch noch am Anfang.
2.3 Wie rein ist eine Oberfläche? Um dem Phänomen technische Reinheit gerecht zu werden,
sollte für technische Systeme in Medienreinheit und Oberflä-
chen-Reinheit unterschieden werden. Während die Reinheit der
Flüssigkeiten und Gase weitgehend durch automatisierte ana-
lytische Verfahren einerseits und Partikelzählgeräte und Analy-
satoren andererseits messbar geworden ist, bleibt die prakti-
sche Erfassung z. B. der Oberflächen-Reinheit im Wesentlichen
wegen der unzureichenden messtechnischen Basis auch heute
noch auf visuelle Prüfungen, Schätzungen und Hochrechnun-
gen oder auf Flächen geringer Abmessungen beschränkt. Der
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