19
die Ablichtungen der Schriften und Schriftzeichen auf Wänden und
Flächen, welche er als die unmittelbare und direkte Kommunikations-
fläche des urbanen Bewohners empfindet.
Hans Silvester
Der Büchermacher und Fotograf Hans Silvester bildet im Kanon der hier
vorgestellten Mauerfotografen eine Ausnahme, da er als Einziger als
gestalterisches Element seiner Bilder die Farbe einsetzt (43, 44 s.a. Bild-
quellenangabe). Seine Faszination für die griechische Inselwelt hat ihn
dazu inspiriert, bestimmte Facetten dieses pittoresken Teils der Erde
abzubilden. Am Anfang seiner fotografischen Erkundungen stand ein
Bildband über die Katzenbewohner der Inseln, der gefolgt wurde von
einem Kaleidoskop der Farben, Formen und Strukturen welche er auf
den Wänden und Oberflächen im Rahmen seiner Streifzüge entdeckte.
Entstanden sind dabei Bilder, die das Wechselspiel von Farbe, Sonne,
Wind und Meer widerspiegeln. Die strahlenden Farben auf Türen und
Wänden treten in einen Kampf mit den Naturkräften, denen sie früher
oder später erliegen müssen. Risse in der Wandstruktur, verlaufende
Wasserspuren und Kontraste von Farbe und wettergegerbter Wandfläche
werden durch seine Fotografien auf eine expressiv und malerisch anmu-
tende Weise wiedergegeben. Zur Verstärkung bestimmter Farbeffekte
setzt er fotografische Filter ein, die bestimmte Bildstimmungen unter-
streichen. Hans Sylvester bietet uns eine eindrucksvolle Schau auf das
Erscheinungsbild der Mauer in einem Teil Griechenlands und verleiht
uns damit die Möglichkeit, die Mauer auch als eine Manifestation der
Einflüsse von Wind und Wetter und des ländlichen Lebens wahrzu-
nehmen.
Zusammenfassung
Wendet man sich nun vergleichend dem Werk meines Vaters zu, dann
zeigt sich eine künstlerische Position, die sich in ihrer facettenreichen
Ausrichtung von der vorangehend besprochener Fotografen unter-
scheidet.
Brassai, als Urvater der Mauerfotografie, konzentrierte sich auf die archa-
isch anmutende Gravur in dieWand.
Siskind hat uns vertraut gemacht mit den abstrakten Dimensionen des
Erscheinungsbildes von Wänden und anderen Oberflächen. Friedlander
geht es um das Miteinander von Mensch und urbaner Umgebung. Silve-
ster fotografiert das Erscheinungsbild der Mauer im farbigen Wechsel-
spiel mit den Einflüssen der Natur und der Zeit.
Und schließlich mein Vater, der Poet, der Chronist der kleinen und
großen Gefühle, die von Ungenannten auf Mauern, Türen, Toren und
Baumrinden verewigt wurden. Bei ihm finden wir sowohl die Gravur als
auch die malerischen, wenngleich abstrakten Wandoberflächen aber
auch die Zahl, den Buchstaben und den geschriebenen Satz des urbanen
Menschen. Er präsentiert uns ein vielgestaltiges Erscheinungsbild unter-
schiedlicher Mauern und Wände, wobei jede dieser verschiedenen
Ansichten sich fügt in eine eigene, durchgängig ästhetische und mensch-
liche Sicht des Künstlers, ohne dass man darauf den Begriff Konzept
anwenden möchte. Seine künstlerische Formensprache hat sich an den
großen Malern und Zeichnern des letzten Jahrhunderts orientiert und