Win Labudas Mauerbilder - page 11

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Nadege, Fin d' Amour,
F 121
Zeichen und Symbole
Im Folgenden wenden wir uns von den malerischen und strukturellen
Dimensionen der Mauer den gemalten oder gezeichneten Botschaften
zu, welche durch Zeichen und Symbole dargestellt werden. Wir finden
Bilder wie
F11 (15), F98
(
7
) oder
F1 (19)
, die uns bekannte und vertraute
Symbole zeigen.
In
F11 (15)
sehen wir einen weißen, rissigen Maueruntergrund auf den
mit dunkler, verlaufender Farbe das Venussymbol unregelmäßig und
ungenau mit einem Pinsel aufgebracht wurde. Man kann mit diesem
Symbol vieles verbinden; Gedanken, die sich aber alle innerhalb eines
Themenkreises bewegen. Es ist außer dem Symbol für die Venus im
astrologischen Sinne außerdem das Zeichen für „weiblich“ und wurde in
den 60er Jahren zum Symbol für Frauenbewegung und Emanzipation.
Das Erscheinungsbild dieses Symbols macht uns einen schon früher
angesprochenen Aspekt der Graffiti wieder bewusst: Jede Wandbeschrif-
tung wird in einem Akt der Illegalität vollzogen. Deswegen muss alles,
was an Wände gemalt wird, schnell geschehen; auf korrekte Ausführung
und Genauigkeit kann der Maler oft nicht achten.
Ganz ähnlich verhält es sich bei
F98 (7),
die vornehme Umschreibung
eines Zeichens, das wir sofort als „Stinkefinger“ identifizieren. Dieses
Zeichen wurde mit schwarzer Farbe in einer einzigen zusammenhän-
genden Bewegung auf die Wand gesprüht, an der linken Seite der Hand
können wir die Anfangs- und Endpunkte genau ausmachen. Hier sehen
wir den Einsatz gesprühter Farbe auf der Wand und gleichzeitig die
Spraydose als das Medium, mit dem ein Großteil der modernen Graffiti
auf die Oberfläche gebracht wird. Ob die Obszönität und Aggressivität
dieses Zeichens an der Wand damit einhergeht, dass der Einsatz von
Spraydosen vermutlicherweise eher unter jüngeren Graffitimalern üblich
ist, bleibt eine Vermutung. Man kann aber davon ausgehen, dass dieses
Zeichen aus der leidenschaftlichen Ablehnung eines bestimmten
Menschen oder gar eines Gesellschaftssystems heraus an die Wand
gebracht wurde, die in jugendlichen Gemütern stärker brennt als bei den
etablierten Generationen.
Ein Stimmungswechsel wiederum bei
F1 (19)
, ein Blatt, welches das
altbekannte „Haus des Nikolaus“ als weißes Kreidezeichen auf tief-
grauem Grund zeigt. Viele Strichhäuser sind hier wie Doppelhaushälften
ungeordnet nebeneinander hingemalt. Es ist nicht auszumachen, ob sie
aus einer Hand stammen oder ob vielleicht ein erstes einsames Häuser-
zeichen andere Passanten dazu verführte, weitere hinzuzufügen. Unwill-
kürlich stellen sich Kindheitserinnerungen ein, an das eigene spieleri-
sche Erlernen dieser Malübung. Aber auch an eigene unbewusste Kritze-
leien wird man hier erinnert, welche wir beispielsweise während eines
Telefonates, in großer Konzentration oder in Gedankenlosigkeit auf ein
unschuldiges Blatt Papier bringen.
Viel subtiler im Ausdruck und weniger leicht zu deuten sind die Bilder
F140 (12)
oder auch
F9 (11)
. Letzteres zeigt eine schwarze, schwungvoll
gezeichnete Wellenlinie auf einer weißen Wand, unter der sich, gewisser-
maßen als Kontrapunkt, eine bereits verblasste, gegenläufige Linie
befindet. Hat ein Kind mit einem Stück Kreide in der Hand im Vorbei-
gehen und nur aus der Bewegung heraus dieses Zeichen erstehen lassen
oder wollte jemand mit einer Wellenlinie bewusst Unendlichkeit zum
Ausdruck bringen? Die Ausschnitthaftigkeit der Fotografie scheint gerade
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